Notarbeurkundung – Geschäftsfähigkeit

Immer wieder sind in der Öffentlichkeit Fälle bekannt geworden, bei denen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit oder Handlungsfähigkeit eines älteren Menschen auftauchten und der Notar diese Argumente wegwischte mit der Begründung „er hat jahrelange Erfahrung und kann erkennen, ob jemand geschäftsfähig ist oder nicht“. Tatsächlich ist eine derartige Ansicht falsch. Nach Ansicht des Unterzeichners kann ein Notar die Probleme, die bei einer Willenserklärung auftauchen, überhaupt nicht erkennen. Aus Forschungen sind Beeinflussungen von Willenserklärungen bekannt geworden, die ein Notar überhaupt nicht erkennen kann und überhaupt nicht erkennen muss. Schon allein die oftmals bei Erbschleichern gegebene jahrelange Gehirnwäsche des alten Menschen, indem der Erbschleicher immer wieder Angehörige schlecht macht und dem Erblasser erklärt, dass er ohne ihn praktisch gar nicht mehr überlebensfähig ist, kann ein Notar überhaupt nicht erkennen. Selbst für einen Arzt ist dies meist überhaupt nicht möglich. Wir haben einen Fall in Deggendorf erlebt, bei dem im Gerichtstermin der Notar und der Arzt erschienen sind und beide bestätigten, dass die beurkundende Dame völlig geschäftsfähig war, weil sie ja immer „ja“ sagte. Der anwesende Spezialist für derartige Fälle erklärte eindeutig, dass die Geschäftsfähigkeit nicht mehr gegeben war. Gerade die Beeinflussung von außen, insbesondere das Schlechtmachen von Angehörigen, das oftmals zu diesen Entscheidungen zu Gunsten der Erbschleicher führt, ist für einen Notar überhaupt nicht erkennbar. Das Problem des manipulierten Willens hat die Rechtsprechung und die Wissenschaft überhaupt noch nicht in der Form gesehen, in der sie im Augenblick auftaucht. Gerade die unglaubliche Zunahme an Erbschleicherfällen zeigt, dass ein ganz erheblicher Teil der Testamente auf manipulierten Willen und damit willenlosen Entscheidungen begründet sind. Für den Erben, der hier um seine Erbschaft betrogen werden soll, ist es daher richtig, schon ab Beginn von Tatbeständen, die ihm bekannt werden, wie ein Detektiv zu recherchieren und insbesondere Fakten für den künftigen Erbschaftsprozess zu suchen und zu sammeln. Im Vorfeld ist hier meistens schon dringende Beratung durch Experten notwendig.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Thieler

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