Krankenhaus missachtet Vorsorgevollmacht

Eine höchstinteressante Entscheidung hat das Amtsgericht Erfurt am 27.02.2020 unter dem AZ 7 XVII
382/20 getroffen. Obwohl dem Krankenhaus eine Vorsorgevollmacht vorlag, hat das Krankenhaus bei
Gericht eine Betreuung beantragt. Die Kosten, und dies ist sensationell und an sich aber auch klar
und richtig, wurden dem Krankenhaus auferlegt, weil das Gericht in Kenntnis dieser Vollmacht die
volle Betreuung anregte. Das Gericht führt hierzu aus:

Die Tätigkeit des Gerichts (Einleitung des Betreuungsfalls) wurde durch die H-Klinik in B veranlasst.
Der Betroffene wurde am 08.04.2020 aus dem H-Klinikum in E in die H-Klinik in B verlegt. Dem
Sozialdienst der Klinik wurde durch die Ehefrau des Betroffenen am 09.04.2020 eine
Vorsorgevollmacht des Betroffenen übersandt. Ausweislich dieser Vorsorgevollmacht wurde die
Ehefrau des Betroffenen, sowie die Tochter des Betroffenen bevollmächtigt. Der Wortlaut der
Bevollmächtigung lautet auszugsweise wie folgt:

"[…] mich in allen Angelegenheiten, die mein Vermögen und meine Person betreffen, gegenüber
jedermann, insbesondere auch gegenüber Banken, Kreditinstituten, Behörden und Gerichten, zu
vertreten. […] Sofern zwei Bevollmächtigte benannt sind, dürfen diese die Vollmacht nur gemeinsam
ausüben. […]"

In Kenntnis dieser Vollmacht wurde durch die H-Klinik in B beim AG Weimar die Einrichtung einer
(vorläufigen) Betreuung angeregt. Hierzu heißt es in dem mit dem Stempel des Chefarztes Dr. med. I.
versehenen und unterschriebenen Fax an das AG Weimar:

"[…] Soweit mir bekannt ist, bestehen folgende Vollmachten

Betreuungsverfügung

Vorsorgevollmacht für Vermögenssorge […]"

Mit Beschluss vom 14.04.2020 wurde durch das AG Weimar, befristet bis zu 13.10.2020 eine
vorläufige Betreuung mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber
Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern und der Gesundheitsfürsorge
angeordnet. Mit Beschluss vom 27.04.2020 wurde das Verfahren durch das AG Erfurt übernommen,
welchem mit Schriftsatz vom 01.06.2020, bei Gericht eingegangen am 03.06.2020, die
Vorsorgevollmacht des Betroffenen vorgelegt wurde.

Für den Betroffenen existiert eine Vorsorgevollmacht. Entgegen der Ansicht der zur Kostentragung
Verpflichteten umfasst diese Vollmacht nicht nur solche Angelegenheiten, welche dieVermögenssorge betreffen. Durch den Wortlaut der Vollmacht "mich in allen Angelegenheiten, die
mein Vermögen und meine Person betreffen, gegenüber jedermann […] zu vertreten."
(Hervorhebungen hinzugefügt) wird deutlich, dass der Vollmachtgeber, entgegen der Bezeichnung als
"Vorsorgevollmacht für Angelegenheiten der Vermögenssorge" die Bevollmächtigten auch über
diesen Aufgabenkreis hinaus für alle Angelegenheiten der Personensorge, mithin für den von der
Klinik maßgeblich in Aussicht genommenen Aufgabenkreis der Gesundheitssorge bevollmächtigen
wollte. Dies hätte sich durch Auslegung bzw. Befragen der Vollmachtnehmer auch unschwer dem
anregenden Klinikum erschließen können. Bedenken gegen eine wirksame Vollmachterteilung am
20.09.2015 bestanden zudem nicht.

Existiert eine solche Vollmacht, geht diese der Einrichtung einer Betreuung gem. § 1896 Abs. 2 S. 2
BGB grundsätzlich vor, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten
ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Mit dieser Regelung soll zum einen das
Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen berücksichtigt werden, zum anderen zielt die Vorschrift aber
auch auf eine Entlastung der Gerichte ab (MüKoBGB-Schwab, § 1896 BGB, Rn. 50). Der BGH hat die
Regelung mit Beschluss vom 13.04.2011 (Az. XII ZB 584/10) dahingehend konkretisiert, dass eine
einmal erteilte Vollmacht der Betreuerbestellung dann vorgeht, wenn der Wirksamkeit der Vollmacht
keine Bedenken entgegenstehen und darüber hinaus feststeht, dass die Wahrnehmung der Interessen
des Betroffenen durch den Bevollmächtigten keine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen
begründen (AG Hamburg-Wandsbek, Beschluss vom 15. Juni 2017 – 706 XVII 53/17 -, Rn. 14, juris).

Diese Voraussetzungen liegen vor. An der Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Vollmacht,
welche wie gezeigt auch den zu regelnden Aufgabenkreis umfasste, kann nicht gezweifelt werden:
Zum einen kann, mangels entgegenstehender Hinweise, davon ausgegangen werden, dass der
Betroffene zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmachten geschäftsfähig war. Zum anderen besteht
auch sonst kein erkennbares Wirksamkeitshindernis. Insbesondere muss die Vollmacht kein
bestimmtes Formerfordernis erfüllen. Auch ist der Bevollmächtigende nicht gehalten sich bestimmter
(amtlicher) Vordrucke zu bedienen – es gilt vielmehr der Grundsatz der Formfreiheit.

Die zur Kostentragung verpflichtete Klinik hat das Tätigwerden des Gerichts auch grob schuldhaft
veranlasst. Es gehört zum täglichen Geschäft von Kliniken, mit Vorsorgevollmachten umzugehen.
Wird – wie hier – nicht der übliche von den Betreuungsbehörden vor Verfügung gestellte Vordruck
verwendet, obliegt es den Ärzten eines Krankenhauses nur umso mehr die ihnen vorgelegt
Vorsorgevollmacht zu lesen und umfänglich zu prüfen, ob nicht bereits durch diese die in Aussicht
genommenen Angelegenheiten besorgt werden können. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – da die
Vorsorgevollmacht lediglich eine DIN A4 Seite umfasst und daher eine Prüfung der Vollmacht auch im
Falle unverzüglich zu treffender Entscheidungen unschwer möglich gewesen wäre. Im Zweifel hätte
mit der Rechtsabteilung des Krankenhauses Rücksprache gehalten werden müssen.

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