Vorsorgevollmacht – eine oder zwei Personen als Bevollmächtigte?

Stiftung Vorsorgevollmacht:
Dies ist eine der Fragen, die wir heute unbedingt unserem Experten stellen müssen. Prof.
Thieler was empfehlen Sie, soll man eine oder zwei Personen als Bevollmächtigte
aufnehmen?

Prof. Dr. Thieler:
Das ist eine grundsätzliche Frage und ist total abhängig davon, falls man mehrere Personen in
der Vollmacht aufnehmen will, wie die Personen zueinander stehen.

Stiftung Vorsorgevollmacht:
Wie meinen Sie das?

Prof. Dr. Thieler:
Entscheidend ist, ob gewährleistet ist – was man an sich gar nicht für die Zukunft
gewährleisten kann – ob die Personen sich auch in Zukunft verstehen. Ich möchte das mal
anhand eines Beispielsfalles erklären: Haben Eltern beispielsweise ihre beiden Kinder, die
sich während der gesamten Kindheit gut vertragen haben, als Bevollmächtigte aufgenommen.
So könnte von Anfang an also kein Problem bestehen. Das Problem taucht aber oft in zwei
Bereichen auf.
Der 1. Bereich: die Kinder geraten in Streit, manchmal auch durch angeheiratete Ehepartner,
die einiges an Zwietracht säen können. Manchmal auch einfach aus Neidgefühlen, dass das
eine Kind meint, dass das andere Kind in den letzten Jahren mehr von den Eltern bekommen
hat. Wenn die Kinder zerstritten sind ist dies ein Grund, die Vorsorgevollmacht seitens des
Gerichts widerrufen zu lassen. Das Endergebnis ist, man erhält eine Betreuung, die man nie
wollte.
Ein weiterer wichtiger Grund ist mir in der Praxis bei einem Fall aufgefallen. Ich hatte vor
Jahren mal jemanden vertreten, der zwei Kinder beauftragt hatte. Eines der beiden Kinder
wurde krank und konnte die Vollmacht nicht mehr ausüben. Das Landgericht Memmingen hat
in diesem Fall entschieden, dass generell die Vollmacht nicht mehr wirksam ist, weil der
Wille der Eltern so ausgelegt werden muss, dass sie nur beide Bevollmächtigten haben
wollten.

Stiftung Vorsorgevollmacht:
Was raten Sie in einem derartigen Fall?

Prof. Dr. Thieler:

Für einen derartigen Fall muss in der Vorsorgevollmacht unbedingt eine Regelung getroffen
werden, ob in diesem Sonderfall der einzelne Bevollmächtigte die Vollmacht weiterführen
kann. Ist dies vergessen worden, so droht der Widerruf der gesamten Vollmacht und die
Einsetzung eines Betreuers.

Stiftung Vorsorgevollmacht:
Wird dies nicht dadurch verhindert, dass man einen Ersatzbevollmächtigten benennt?

Prof. Dr. Thieler:
Sicherlich kann der Ersatzbevollmächtigte in einem solchen Fall als Vollmachtnehmer
auftreten. Allerdings müsste dies in der Vorsorgevollmacht auch geregelt werden, dass für
gerade diesen Fall der Ersatzbevollmächtigte in sein Amt eintritt und nunmehr
Bevollmächtigter wird. Ich halte die Ersatzproblematik sowieso für sehr schwierig zu lösen,
weil die Ersatzproblematik durch die Frage, wann der Ersatzbevollmächtigte tätig wird,
praktisch in der Vorsorgevollmacht gar nicht konkret geregelt werden kann und nicht alle
möglichen Fälle überhaupt erwähnt werden können. Hier sollte man wirklich den Rat eines
Experten einholen.
Ich möchte auch an dieser Stelle nicht irgendwelche Ratschläge erteilen, weil die Ratschläge
völlig abhängig sind von der individuellen Lebenssituation des Vollmachtgebers.

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