Das aktuelle Interview der Vorsorgevollmacht-Stiftung mit Herrn Prof. Dr. Thieler
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Sie haben Vorträge vor hunderten von Zuhörern gehalten zum Thema „Vorsorgevollmacht“ und daneben eine große Anzahl von Beratungen zum Thema „Erstellung einer Vorsorgevollmacht“ durchgeführt. Immer wieder hören wir von Ihnen, dass die Vorsorgevollmacht viel schneller zur Betreuung führen kann als manche denken. Können Sie uns einige Bespiele erklären?
Prof. Dr. Thieler:
Es wird nach außen den Verbrauchern eine Sicherheit bezüglich der Vorsorgevollmacht suggeriert, die leider nicht immer gegeben ist. Hier gibt zwei große Komplexe, die zur Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht mit den katastrophalen Konsequenzen, dass dann die Betreuung, die der Vollmachtsteller nie wollte, eintritt.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Können Sie die einzelnen Fallgruppen erklären?
Prof. Dr. Thieler:
Die erste Fallgruppe betrifft die Verbraucher selbst. Sie sparen bei der Erstellung der Formulare. Sie drucken aus dem Internet irgendwelche skurrilen Formulare heraus, die den Glauben vermitteln, dass damit alles erledigt ist.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Reichen die Formulare wirklich nicht aus?
Prof. Dr. Thieler:
Hier muss man differenzieren. Bevor einer gar nichts macht, reicht letztendlich doch ein Großteil der Formulare aus zu verhindern, dass aus einem Vorsorgevollmachtsgedanken eine Betreuung wird. Man sollte sich dennoch auf jeden Fall beraten lassen und Formulare verwenden, die von einem Experten erstellt wurden.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Worin besteht konkret der Unterschied?
Prof. Dr. Thieler:
Viele, im Internet vorhandene Formulare, insbesondere auch die der Bundesregierung und der Justizministerien der einzelnen Länder verwenden nur Vordrücke, wo man nur Ja und Nein ankreuzen muss. Eines ist doch völlig klar, wenn ich Nein ankreuze heißt das, ich wollte die Vorsorgevollmacht für diesen Bereich nicht und ich erhalte dann einen Betreuer. Hier fehlt es an der entsprechenden Aufklärung gegenüber dem Verbraucher. Sie müssen sich darüber klar sein, wer bei derartigen Formularen Nein ankreuzt, hat in diesem Bereich einen Betreuer.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Das ist ja katastrophal, das weiß ja kaum jemand. Welche Formulare sind noch gefährlich?
Prof. Dr. Thieler:
Hier gibt es eine Fülle von Formularen, die ich hier gar nicht einzeln erklären könnte. Sie können sich auch gerne an die Stiftung wenden und gegebenenfalls ermitteln wir dann Experten, die die Vorsorgevollmacht überprüfen können.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Was ist noch das Problem von Formularen?
Prof. Dr. Thieler:
Das Hauptproblem ist natürlich, dass die Formulare – und das ist der zweite Problemkreis – nicht annähernd ausreichend sind, um wirklich die gesamte Problematik der Vorsorgevollmacht zu erkennen.
Es wird wirklich bei Formularen nicht alles abgehandelt, sondern es gibt viele Einzelfragen, die im Rahmen eines Gespräches berücksichtigt werden müssen.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Prof. Thieler, können Sie konkret einige dieser Einzelfragen benennen, die beispielsweise das Problem der Strafanzeige erwähnen?
Prof. Dr. Thieler:
Die meisten Formulare, die mir vorgelegt wurden, übersehen überhaupt, dass auch die Frage, ob der Bevollmächtigte Strafanzeige erstellen darf, was manchmal sehr wichtig ist, in der Vollmacht nicht geregelt ist. Gleiches gilt natürlich auch für die Geltung der Vollmacht für das Ausland. Hier gibt es Regelungen, die für den internationalen Bereich vorgesehen sind und die in den meisten Vorsorgevollmachtsformularen vergessen werden.
Vorsorgevollmacht-Stiftung:
Wen sollte man als Berater hinzuziehen?
Prof. Dr. Thieler:
Letztendlich muss sich jeder selbst entscheiden. Es dürfte nicht so schwierig sein, Berater zu finden, die sich intensivst mit diesem Gebiet befassen und auskennen. Oftmals heißt es immer wieder, ich habe meine Vorsorgevollmacht von einem Notar erstellen lassen. Hier muss man darauf hinweisen, dass Notare keine Rechtsanwälte sind und deswegen auch keine einzelnen Fälle und Prozesse im Betreuungsrecht führen. Aus diesem Grund halte ich es für empfehlenswert, einen Anwalt zu beauftragen, der sich wirklich mit der Materie befasst. Dieser Anwalt sollte allerdings auch Betreuungsprozesse geführt haben gegen eingeleitete Betreuungsverfahren und nicht nur Betreuung übernommen haben.
Wenn ein Anwalt Betreuung übernimmt, ist er oftmals auf dem Gebiet nur sehr einseitig, weil er letztendlich ja nur als Betreuer tätig wird. Man kann natürlich auch im Internet recherchieren, wer zum Thema Betreuungsrecht etwas publiziert hat. Im Notfall kann man sich an die Stiftung wenden. Wir sind gerne bereit, Ihnen die Experten zu benennen bzw. Prüfer, die die Vorsorgevollmachten überprüfen.